Im Falle von öffentlich-rechtlichen Einschränkungen auf Grund der Corona-Pandemie ist eine Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) grundsätzlich möglich, hängt aber vom Einzelfall ab.

(BGH, Urt. v. 12.01.2022, Az. XII ZR 8/21)

Der Fall:

Die Parteien schlossen im September 2013 einen Gewerberaummietvertrag zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerraum eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien.
Auf Grund der Covid-19 Pandemie kam es bekannter Maßen zu erheblichen Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens. In diesem Fall mussten in Sachsen alle Geschäfte geschlossen bleiben, soweit sie nicht ausdrücklich benannt waren. Das Geschäft der Mieterin viel nicht darunter und durfte nicht öffnen. Daraufhin stellte die Mieterin die Mietzahlungen für diesen Zeitraum vollständig ein.

Die Entscheidung:

Der BGH klärt in dieser Entscheidung die seit Beginn der Pandemie bestehenden Fragen zur Mietzahlungspflicht im Gewerberaummietrecht.
Zwar stellt der BGH mit der herrschenden Meinung klar, dass die Einschränkungen durch die Covid-19 Pandemie keinen Mangel der Mietsache darstellen und somit die Miete grundsätzlich zu zahlen ist. Denn unter einem Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten zu verstehen. Die öffentlich-rechtliche Schließungsanordnung, bzw. die damit einhergehende Gebrauchsbeeinträchtigung beruht jedoch nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts.
Allerdings kann – je nach Einzelfall – durch die öffentlich-rechtlichen Einschränkungen eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB vorliegen.
Denn durch die weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die Geschäftsgrundlage nachträglich maßgeblich geändert. Mit derartigen Einschränkungen konnte und musste laut BGH keine der Parteien bei Vertragsschluss rechnen. Der BGH meint weiter, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien bei Kenntnis dieser Umstände den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Es sei anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt hätten.
Eine Entscheidung in der Sache selbst hat der BGH allerdings nicht getroffen. Denn die Höhe der Anpassung hänge maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab und darf nicht – wie es das OLG Dresden getan hatte – pauschal 50:50 aufgeteilt werden.
Bei einer solchen Einzelfallbetrachtung sind einerseits die Nachteile des Mieters (z.B. Umsatzrückgang) zu berücksichtigen. Andererseits sind aber auch die gewährten Corona-Hilfen (nicht jedoch Kredite) zu berücksichtigen, da es nicht zu einer Überkompensation kommen soll. Auch die Belange des Vermieters seien in die Abwägung mit einzubeziehen.
Der Fall wird somit an das OLG Dresden zur Entscheidung zurückverwiesen.

Praxishinweis:

Das Urteil war nach der mündlichen Verhandlung am 01.12.2021 einigermaßen erwartbar. Es wird nun bei einer Vielzahl von Fällen vor den Instanzgerichten berücksichtigt werden müssen. Zwar stellt dieses Urteil kein „Allheilmittel“ für Corona-bedingte Einschränkungen im Gewerberaummietrecht dar. Dennoch bringt das Urteil des BGH endlich ein wenig Klarheit für diese Fälle und die Beteiligten Mieter und Vermieter.
Auf Grund der Möglichkeit der Anpassung der Geschäftsgrundlage und dem offenen Ausgang der Höhe der Anpassung ist eine gütliche außergerichtliche Einigung für Vermieter und Mieter in dieser Frage weiterhin äußerst sinnvoll.
Der BGH verweist in seiner Entscheidung außerdem richtiger Weise mehrfach darauf, dass es bei einer Anpassung der der Geschäftsgrundlage auch maßgeblich auf den konkreten Vertrag ankommt. Für Vermieter empfiehlt sich zukünftig also in jedem Fall eine gesonderte Klausel, die eine (zwingende) Anpassung der Miete ausschließt. Auf Mieterseite sollte dies bestmöglich vermieden werden.

 


Rechtsanwalt Patrick Schmitz

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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