Das Interesse der Nachbarn an der Beibehaltung von Festsetzungen eines Bebauungsplans ist bei Änderung des Bebauungsplans in der Abwägung zu berücksichtigen.

BVerwG, Beschluss vom 27.09.2021 – 4 BN 17.21

Der Fall:

Das Grundstück der Antragstellerin liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der für das Nachbargrundstück eine öffentliche Grünfläche festsetzt. Im Rahmen eines Änderungsverfahrens wird diese Fläche teilweise als Buswendeschleife ausgewiesen. Im Normenkontrollverfahren kritisiert die Antragstellerin, dass ihr Interesse an der Beibehaltung der bisherigen Festsetzung in der Abwägung nicht berücksichtigt wurde. Das OVG Rheinland-Pfalz lehnt den Antrag wegen fehlender Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO ab.

Die Entscheidung:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören, wenn die Änderung eines Bebauungsplans dazu führt, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden dürfen.

Zwar besteht keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans, Änderungen des Plans sind nicht ausgeschlossen. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden.

Ein solches Interesse ist nicht nur dann gegeben, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives öffentliches Recht begründet hat. Abwägungsrelevant ist vielmehr jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht. Etwas anderes gilt bei nur geringfügigen Änderungen sowie bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können.

Damit sei im zugrunde liegenden Fall die Antragsbefugnis zu bejahen. Das Urteil wurde aufgehoben und der Fall an das OVG zurückverwiesen.

Praxishinweis:

Erneut macht das Bundesverwaltungsgericht klar, dass die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung sehr hoch sind. Nachbarliche Belange sind nach dieser Entscheidung nun nicht nur dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Änderung Belange berührt, die ihrerseits abwägungsrelevant sind. Es genügt, wenn sich die Änderung tatsächlich nachteilig auswirkt.

Kommunen und Planungsbüros müssen mehr denn je darauf achten, Einwendungen (gerade Einwendungen Privater) nicht von vornherein zu negieren oder für nicht abwägungsrelevant zu erklären. Sollte eine Einwendung nicht offensichtlich und nachweislich unzutreffend oder unerheblich sein, so sind die Belange des Einwenders in die Abwägung einzustellen. Der Gemeinde steht es frei, bei gleichwertigen, entgegengesetzten Belangen einem den Vorzug zu geben und den anderen zurückzustellen. Aus diesem Grund ist der jeweils betroffene Belang so genau wie möglich zu benennen und seine Bedeutung (insbesondere im Verhältnis zu anderen Belangen) sowie die Gründe, aus denen sie dem Belang Rechnung trägt oder nicht, so präzise wie möglich darzustellen.

 


Rechtsanwältin Kathrin Schilling

Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

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