- § 16 Abs. 2 S. 2 WEG bietet die Möglichkeit den Kostenverteilungsschlüssel im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung abzuändern.
- Der GdWE steht bei der Auswahl des neuen Kostenverteilungsschlüssels ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
- Die Grenze des Ermessens der GdWE besteht in einer unangemessenen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer.
(AG Wiesbaden, Urteil vom 12.01.2024 – 922 C 1990/23; nachfolgend LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.07.2024 – 2-13 S 19/24)
Der Fall:
Die Klägerin ist Miteigentümerin einer WEG mit 33 Balkonen. Für die Reinigung der Abflussrinnen der Balkone fallen jährliche Kosten i.H.v. 300 € bis 400 € pro Jahr pro Balkon an. Die wesentliche „Verschmutzung“ ist auf das Laub der umstehenden Bäume zurückzuführen. Die GdWE beschloss, dass die Kosten der Reinigung der Abflussrinnen der Balkone durch den jeweiligen Sondereigentümer zu tragen sind.
Die Klägerin war der Ansicht, dass sie durch die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels unangemessen benachteiligt sei, da ihr Balkon den höchsten Blätterfall abbekommen würde.
Die Entscheidung:
Zu Unrecht; der Beschluss entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.
§ 16 Abs. 2 S.2 WEG räumt der GdWE die Möglichkeit ein, den Kostenverteilungsschlüssel – egal ob es sich um den gesetzlichen oder einen vereinbarten Verteilungsschlüssel handelt – abzuändern. Hierbei steht den Wohnungseigentümern grundsätzlich ein weiter Ermessenspielraum zu. Der neue Verteilungsschlüssel entspricht nach Ansicht des AG Wiesbaden nur dann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn einzelne Wohnungseigentümer dadurch unangemessen benachteiligt werden.
Hiervon war aber nicht auszugehen. Das Gericht unterstellte mangels entgegenstehenden Vortrags, dass der Reinigungsaufwand im Durchschnitt bei allen Balkonen gleich ist, sodass der Klägerin kein „Sonderopfer“ abverlangt wird. Weiter ging das Gericht davon aus, dass sich die Kostenlast der Klägerin durch die Abänderung der Kostenverteilung nicht wesentlich verändert, sodass sie auch rein tatsächlich nicht unangemessen benachteiligt wird. Vorliegend sind sämtliche Wohnungseigentümer von dem neuen Kostenverteilungsschlüssel gleichermaßen betroffen, sodass eine unangemessene Benachteiligung ausscheidet.
Praxishinweis:
Die Entscheidung ist richtig und wurde entsprechend auch vom Berufungsgericht gehalten (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.07.2024 – 2-13 S 19/24 (IMR 2024, 428).
Auch der BGH hat zwischenzeitlich in seinen beiden maßgeblichen Entscheidungen zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels vom 22.03.2024 (IMR 2024, 201; IMR 2024, 202) klargestellt, dass durch den „neuen“ § 16 Abs. 2 S. 2 WEG der GdWE die Beschlusskompetenz zur Änderung des Verteilungsschlüssels für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten zusteht. Insoweit steht der GdWE aufgrund des Selbstorganisationsrechts der Gemeinschaft ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dementsprechend soll dies auch dann gelten, wenn durch den neuen Verteilungsschlüssel der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden.
Die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels muss allerdings ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Dementsprechend muss der geänderte Verteilungsschlüssel dem Interesse der Gemeinschaft entsprechen oder darf einzelne Wohnungseigentümer nicht unangemessen benachteiligen.
Das LG Frankfurt/Main vertritt die Auffassung, dass die Wahl eines Verteilerschlüssels einen Miteigentümer erst dann unangemessen benachteiligt, wenn der Verteilungsschlüssel willkürlich ist (IMR 2024, 428).
Dies geht nach unserer Auffassung allerdings zu weit. Zwar kann es nicht darum gehen, den „gerechten“ Verteilungsschlüssel zu finden. Dennoch kann eine unangemessene Benachteiligung auch bereits vor „reiner Willkür“ vorliegen.
Rechtsanwalt Patrick Schmitz
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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