1. Der Beschluss, einen Anspruch der Gemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen, entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, sofern dieser Anspruch nicht von vorn herein ausgeschlossen ist.
  2. Bauliche Veränderungen sind so lange unzulässig, bis über sie durch rechtskräftigen Beschluss (oder Beschlussersetzungsklage) oder Vereinbarung legitimiert wurden.
  3. Bis zur Legitimierung muss eine eigenmächtig durchgeführte bauliche Veränderung nicht geduldet werden.

(AG Brühl, Urteil vom 20.10.2022 – 29 C 5/22)

Der Fall:

Die Kläger sind Sondereigentümer einer im EG gelegenen Wohnung der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und haben ihre Terrasse eigenmächtig von 12,32 m² auf 21,76 m² vergrößert.

Die GdWE hat in der Eigentümerversammlung beschlossen, den Verwalter zu beauftragen, die Kläger zum Rückbau der baulichen Veränderung aufzufordern. Diesen Anspruch sollte der Verwalter – sofern die Kläger dieser Aufforderung nicht nachkommen – auch gerichtlich geltend machen.

Diesen Beschluss haben die Kläger im Wege der Beschlussanfechtung angegriffen. Sie sind der Meinung, der Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Entscheidung:

Zu Unrecht; der Beschluss entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Wenn die GdWE mehrheitlich beschließt, einen Anspruch (außer-)gerichtlich geltend zu machen, entspricht dies regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung. Erst wenn der geltend zu machende Anspruch von vornherein ausgeschlossen ist, kann eine dahingehende Anfechtungsklage erfolgreich sein.

Auch wenn eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG oder § 20 Abs. 3 WEG grundsätzlich beansprucht werden könnte, muss dies zuvor über einen Beschluss oder eine Beschlussersetzungsklage legitimiert werden. Die eigenmächtige Umsetzung baulicher Veränderungen ist bis zu diesem Zeitpunkt immer unzulässig. Die GdWE habe eine solche Maßnahme nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Der Gesetzgeber möchte damit verhindern, dass erst gebaut und die übrigen Miteigentümer sodann vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Eine die bauliche Veränderung legitimierende Beschlusslage wäre auch bei lediglich wirksamer Anfechtung des Beschlusses, der die bauliche Veränderung verbieten soll, nicht gegeben. Dadurch wäre die GdWE zwar (zunächst) gehindert, gegen die bauliche Veränderung vorzugehen, sie wäre aber weiterhin rechtswidrig und der Rückbau könnte weiterhin verlangt werden.

Praxishinweis:

Das Gericht stellt klar, dass die Vorgehensweise, erst eigenmächtig zu bauen, in einer WEG immer der falsche Weg ist.

Weiterhin stellt das Gericht klar, dass nur bei vollkommen aussichtlosen Fällen die GdWE die Rechtsverfolgung nicht beschließen darf.

Bei einer ohne genehmigenden Beschluss oder Vereinbarung eigenmächtig vorgenommenen baulichen Veränderung droht dauerhaft der Rückbau. Diesem Unterlassungs- und Rückbauanspruch kann der Miteigentümer auch nicht nach Treu und Glauben einen grundsätzlichen bestehenden Anspruch nach § 20 Abs. 3 WEG entgegenhalten. Dies hat zwischenzeitlich der BGH mit Urteil vom 17.03.2023 (Az. V ZR 140/22) bestätigt.

Allerdings verjährt ein solcher Rückbauanspruch auf Kosten der Verursacher innerhalb der regelmäßigen Verjährung. Danach kann zwar weiterhin der Rückbau gefordert werden, allerdings nur noch auf Kosten der Gemeinschaft.

Nachdem eine Beschlussersetzungsklage auch nach Ablauf der Monatsfrist (§ 45 WEG) für Beschlussanfechtungsklagen gestellt werden kann, ist es jedoch durchaus möglich – sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen – eine eigenmächtig vorgenommene bauliche Veränderung durch eine gerichtliche Entscheidung legitimieren zu lassen. Dies wurde vorliegend jedoch nicht getan.

 


Rechtsanwalt Patrick Schmitz

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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