VGH München, Beschluss vom 29.10.2024 – 1 ZB 23.1194

Der Fall:

Der Fall dreht sich um eine Beseitigungsanordnung gegen eine ohne Baugenehmigung aufgestellte Werbeanlage auf einer landwirtschaftlichen Fläche im Außenbereich. In der Begründung heißt es, die Anlage widerspreche öffentlich-rechtlichen Vorschriften: Zum einen sei sie genehmigungspflichtig gewesen, zum anderen sei sie materiell rechtswidrig, weil der Flächennutzungsplan dort eine landwirtschaftliche Fläche darstellt.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wird damit begründet, dass das Vorhaben als fliegender Bau genehmigungsfrei sei, so dass die Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung schon nicht vorlägen. Überdies sei die Darstellung des Flächennutzungsplans funktionslos geworden, auch sonst stünden keine öffentlichen Belange entgegen.

Die Entscheidung:

Der VGH stellt klar, dass es auf die Frage der Genehmigungspflicht nicht ankommt: Der für eine Beseitigungsanordnung in Art. 76 S. 1 BayBO geforderte „Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ erfordert zwar grundsätzlich formelle und materielle Illegalität. Soweit aber Anlagen nicht genehmigungsbedürftig sind und auch nicht (bestandskräftig) genehmigt wurden, widersprechen sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei „bloßer“ materieller Illegalität.

Die Anlage war – so der VGH – vorliegend materiell unzulässig. Sie konnte schon aufgrund des Widerspruchs zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht als sonstiges Vorhaben im Außenbereich zugelassen werden. Zwar können Darstellungen eines Flächennutzungsplans den für Bebauungspläne entwickelten allgemeinen Grundsätzen entsprechend wegen veränderter tatsächlicher Verhältnisse ebenfalls funktionslos werden. Dies gilt aber nur dann, wenn die (tatsächliche) Entwicklung des Baugeschehens den Darstellungen des Flächennutzungsplans in einem sowohl qualitativ wie quantitativ so erheblichen Maß zuwiderläuft, dass die Verwirklichung der ihnen zu Grunde liegenden Planungsabsichten entscheidend beeinträchtigt ist. Dies war vorliegend nicht der Fall.

Praxishinweis:

In der Praxis hält sich selbst in Fachkreisen erstaunlich hartnäckig die Meinung, ein verfahrensfreies Vorhaben sei automatisch auch zulässig und könne ohne weitere Voraussetzungen errichtet werden. Diese Fehleinschätzung kann teuer werden!

Durch die zunehmende Reduzierung von genehmigungspflichtigen Vorhaben wollte der Gesetzgeber nicht etwa die materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen lockern, sondern vielmehr die Verantwortung für die Einhaltung der materiellrechtlichen Vorgaben von der Behörde weg auf die Baubeteiligten konzentrieren. Letztlich ist also neben dem Planer und dem Bauunternehmen insbesondere der Bauherr in der Pflicht, sicherzustellen, dass sein Vorhaben auch materiell rechtmäßig ist. Er kann – wie nun erneut und ausdrücklich bestätigt wurde – auch einer Beseitigungsanordnung nicht die Verfahrensfreiheit entgegenhalten.

 


Rechtsanwältin Kathrin Schilling

Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

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